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Vertrauen

Robert Fuhrmann
Vertrauen

Eine Ode an das Vertrauen

Im Sommer war ich Gast auf einer größeren Veranstaltung mit 70 Gästen aus der Wirtschaft. Ich kam am Rande des Buffetts ins Gespräch mit dem Abteilungsleiter eines Energieversorgungsunternehmen. Wir sprachen über unsere Berufe und im Verlauf des Gesprächs erzählte er mir, dass seine Mitarbeiter großartig sind, sie seit langem ein eingeschworenes Team sind und sich aufeinander verlassen können.
Nach einiger Zeit kamen wir auf die anstehenden Umstrukturierungen zu sprechen, die er vornehmen müsse. „Das wird schwierig. Die sind alle super, die Jungs und Mädels, aber mit der Umstrukturierung muss jeder Einzelne viel mehr Verantwortung tragen. Da habe ich große Bauchschmerzen, das bekommen die nicht hin!“

Ich war verblüfft, denn bis hier klang die Geschichte ja gut. Mitarbeiter zufrieden, eingespieltes Team, langjährig zusammen… Ich fragte nach: „Wie viele Ihrer MitarbeiterInnen haben ein eigenes Haus?“ So circa 80% war die Antwort. Aha, sagte ich. 80% ihrer MitarbeiterInnen sind in der Lage und bereit im privaten Bereich Kreditrisiken bis zu 400.000, - EUR aufzunehmen. Sie übernehmen also für mehr als eine viertel Million Verantwortung im privaten Bereich. Glauben Sie wirklich, dass dieselbe Person sich im geschäftlichen Kontext komplett wandelt und nicht mal Kugelschreiber einkaufen kann/will? Schweigen. Nachdenken. „Eine interessante Perspektive, Herr Fuhrmann. Danke dafür!“

Es verblüfft mich immer wieder erneut. Das beobachtete Nicht-Vertrauen ist kein Misstrauen und trotzdem genauso stark hemmend. Durch die kleine Gegenüberstellung wurde blitzschnell klar, wo die Unterschiede bei der Einschätzung liegen. Das die MitarbeiterInnen Grundstücke und Häuser kaufen und die Risiken dafür abschätzen und aufnehmen ist bekannt und wird als normal angesehen.
Die gedankliche Trennung des privaten „Ich“ vom beruflichen „Ich“ führt zu einer vollkommen anderen Einschätzung der Situation im beruflichen Kontext und letztendlich zum Nicht-Vertrauen.

Was mich dabei umtreibt ist die Frage, welche äußeren Umstände dazu führen, die dieses Nicht-Vertrauen für die Führungskraft logisch und folgerichtig erscheinen lassen. Denn mein Gesprächspartner hat diese Einschätzung ja nicht aus Niedertracht, sondern in gutem Glauben gefällt. Was ist es also, dass eine solche Position des Nicht-Vertrauens als die beste Wahl erscheinen lässt? Die Frage ließ sich in diesem speziellen Fall nicht beantworten, da die Veranstaltung weiter ging. Doch meine Beschäftigung mit dem Thema hält an.

Ich vermute eine Verbindung zu den Denkgebäuden und Prinzipien aus den Anfängen der Industrialisierung. Die Idee der Aufteilung von Arbeitsprozessen in einzelne Teilschritte durch Frederick W. Taylor im Jahr 1911 brachte enorme Produktivitätsfortschritte und Gewinne. Diese Ab-teilung der Arbeitsschritte wurde perfektioniert und flächendeckend angewendet. Die Verantwortung des einzelnen Arbeitnehmers lag damit auch nur noch bei diesem einzelnen Arbeitsschritt. Gedanklich wurde dem Arbeitnehmer vom Vorgesetzten also auch nur Kompetenz und Vertrauen für diesen einzelnen Arbeitsschritt entgegengebracht. Mehr musste der Arbeitnehmer nicht leisten, mehr wurde auch vom Vorgesetzten nicht erwartet. Im beruflichen Kontext wurde das Vertrauen also sehr stark eingeengt auf einzelne Arbeitsschritte. Dieses Vorgehen war enorm erfolgreich und wurde daher auf immer mehr und, so meine Überzeugung, letztlich alle Bereiche der Gesellschaft übertragen. Die strikte Trennung der Arbeitsschritte und die starke Fokussierung auf diese Schritte führte dazu, dass der eigentlich ganzheitliche Mensch in berufliche Rolle und private Rolle kategorisiert wurde. Es wurde so getan, als könnte man diese Rollen trennen und getrennt bewerten.

Ich glaube, dass es angesichts steigender Komplexität und dem damit einhergehenden Bedarf an neuartige Denk- und Herangehensweisen Zeit ist, diese Trennung aufzulösen. Ich möchte dazu einladen, den Mut zu haben Menschen stärker zu vertrauen. Ich möchte dazu einladen, darauf zu vertrauen, dass Menschen mehr können als Ihnen im Rahmen bestimmter Rollen abverlangt wird. Nicht immer wird dieser Mut belohnt werden. Ich bin überzeugt, dass die Vorteile und die daraus erzielbaren Erfolge die Nachteile bei weitem überwiegen. Also: Habt mehr Mut zu Vertrauen!